24. QFF-Treffen in Hamburg
Strahlende Sonne und eine Stadt im ersten Frühlingsrausch – völlig ungewöhnlich startete das 24. QFF-Treffen bei prächtigem Wetter und deutlich zweistelligen Temperaturen. Und dass notabene an der Nordgrenze des QFF-Gebiets! Zum Frühlingstreffen haben uns dieses Jahr die «Volkspark Junxx» nach Hamburg eingeladen. Angesagt war ein Arbeitstreffen mit vier (!) Workshops und einer fetten Portion schwarz-weiss-blauem Lokalkolorit.
Nach einer nächtlichen Zugfahrt durch Deutschland stiegen in Dortmund unerwartet Jens und Christian von den Rainbow Borussen zu. Christian als Sprecherrat standesgemäss in die erste Klasse, während die echte Party natürlich bei mir und Jens in der «classe populaire» stattfand.
Ganz touristisch startet das Programm am Freitag mit einer Hafenfahrt und gutem Bier. Für einen Bericht der lokalen Zeitung sollte unbedingt ein Gruppenfoto mit Regenbogenflagge geschossen werden. Leider hatte gerade niemand einen Regenbogen im Flaggenformat zur Hand. Beim Souvenirshop nebenan fand sich die Lösung: Eine FC St. Pauli Regenbogenflagge, die offenbar zum normalen touristischen Basissortiment gehört. Armer HSV – nicht mal mehr einen eigenen Regenbogen gibt’s in der zweiten Liga.
Abendtreffpunkt war das Fanhaus des HSV-Fanprojekts. Ein schmuckes und sehr grosszügiges Backsteinhaus aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts ist Heimat nicht nur für HSV-Fans sondern, gemäss den Bemalungen auf der Hausrückseite, auch für Freund*innen des HFC Falke – ein Klub von ehemaligen HSV Fans als freundliche Alternative gegründet. Eine kleine Thekenrunde im Stil von «Inas Nacht» verhandelte u.a. den Vorfall in Leipzig letzten Oktober, wo Schalke-Fans Mitglieder der Rainbow-Bulls massiv homophob attackierten. Zudem berichtete Sven vom DFB-Spiel in Wolfsburg, bei welchem erstmal ein gender-neutrales Stadionerlebnis ausgetestet wurde (dazu später mehr).
Und auch der FCZ war nicht weit. Wimpel und Schal mit Zürcher Signalen bereichern die nüchterne Innendekoration. Lieben Dank an Jens, der ganz famos durch die Talkrunde führte. «Jens, du bist unsere beste Ina Müller!»
Am Samstag-Morgen wurde mir mal wieder bewusst, warum ich den Letzi so liebe. Die Tramstation ist genau 20 Meter vom Stadioneingang entfernt. Zwischen S-Bahn-Station und Volksparkstadion hingegen liegen sagenhafte 1300 Meter. 1300! Dass sind 1.3 Kilometer. Glücklicherweise gab es auf der Strecke ein paar nette Tags anzuschauen.
Tief im VIP-Mantel des Stadions versunken, fand die QFF Tagung bei bester Infrastruktur statt. Freie Getränke, leckeres Essen und Filterkaffe versöhnten mich mit der überfrachteten Agenda – ich erwähnte es schon: VIER(!) verschiedene Themen-Workshops:
Workshop 1: Coming Out Masterplan
Einmal mehr stand das ersehnte Coming Out eines Profis und die dafür mögliche Vorbereitung von QFF auf den Tag X auf dem Arbeitsplan. Kontaktliste, Medienmitteilung, eigene Website und ähnliches soll QFF schon im Vorfeld in die Notfall-Schublade einlagern, damit es sich bei Bedarf ruck zuck zücken lässt. Schon beim Treffen auf Schalke wurden ähnliche Szenarien diskutiert und weitgehend verworfen. Auch jetzt erschienen die vorgeschlagenen Massnahmen einem guten Teil des Plenums etwas überzogen und für QFF, angesichts der beschränkten Ressourcen, recht hoch gegriffen. Der Sprecherrat will sich weiter dem Thema annehmen. Glück auf!
Workshop 2: Genderneutrales Stadionerlebnis
Eine regelrechte Erfolgsgeschichte für QFF ist das DFB-Projekt «genderneutrales Stadionerlebnis». Aufgrund der Gesetzesnovelle in Deutschland, welche mit «divers» eine dritte Geschlechtsidentität einführt, bekommt die Thematik nicht nur beim DFB (Deutscher Fussball Bund) ordentlich Schub. Dank der jahrelangen Präsenz von QFF in den deutschen Fanarbeitsgruppen setzte der DFB auf die Kompetenz von QFF und bezog unsere Organisation bei der Ausarbeitung und Umsetzung des ersten Tests anlässlich des Spiels Deutschland gegen Serbien am 20. März in Wolfsburg mit ein.
Leider standen die Auswertungen aus dem Spiel am Workshop noch nicht zur Verfügung, sollen aber allen QFF-Mitgliedern bald zugänglich sein. Eindrücklich waren die Schilderungen von Carina aus Bremen, welche als Trans-Frau jeweils nur durch den Behinderteneingang ohne Probleme und Erniedrigungen durch Personal und Besucher*innen ans Spiel ins Weserstadion gelangt. Auch wenn es sich um wenige Personen handelt, sollten bei einem Matchbesuch alle angemessen und respektvoll behandelt werden.
Sobald die Unterlagen aus Deutschland vorliegen, werden die Letzi Junxx beim Stadionmanagement des Letzigrunds vorsprechen und die Lage vor Ort im wahrsten Sinne des Wortes «abtasten». Vielleicht gelingt es uns, auch in Zürich erste Schritte anzuregen. Auch QFF will das Thema in Deutschland weiter voranbringen. QFF Beitrag
Workshop 3: Keine Zeit, keine Motivation, kein Sinn? Wie bekommt QFF den Arsch wieder hoch?
Es ist nicht zu leugnen: 15 Jahre queere Fanclubs haben bei QFF und den Mitgliedsorganisationen die eine oder andere Furche des Alterns gezeichnet. Die Spannkraft scheint etwas verloren, Nachwuchssorgen sind den meisten Fanclubs nicht fremd und die Zahl an Teilnehmenden bei QFF Treffen war auch schon grösser.
Zwar war sich die Runde nicht gänzlich einig, es kristallisierten sich aber doch ein paar Hauptanliegen heraus: QFF soll mehr Netzwerk und nicht einfach ein Dachverband sein. Formen der gegenseitigen Vernetzung – wie etwa die Berichte aus den Fanclubs – sollten gestärkt und weiterentwickelt werden. Mehr Spass: «Arbeitstreffen» ist vielleicht nicht die attraktivste Bezeichnung für ein Treffen von Fanclubs. Wir sollten nicht einfach Arbeitspapiere produzieren, sondern uns gegenseitig Bestärken und Stärken. Und wenn wir konkrete Themen verhandeln, muss es QFF besser gelingen, diese zu sichtbaren Ergebnissen voranzutreiben. Zu vieles bleibt im ungewissen und versandet schlussendlich.
Erwähnt wurden aber auch die Erfolge wie zum Beispiel die Aktion «To Russia with Love» oder die gute internationale Vernetzung. Mal sehen, was der Sprecherrat aus dem Meinungsbild aufnimmt? Viel Erfolg dabei: daleó, heja, aléz, hopp, Glück auf!
Workshop 4: Medienkompetenz
Die Ergebnisse des dritten Workshops erschienen mir etwas undurchsichtig. Im Wesentlichen wurden elementare Regeln der Netiquette aufgelistet. Quasi ein Online-Knigge für QFF-Posts. Nehmen wir einfach mal an, dass die Ermahnung die bösen Buben erreichen wird. Oder so.
Aufgelockert wurde das straffe Workshop-Programm durch eine recht vergnügliche Stadionführung. Wenn Winterthur und Wohlen wüssten, wie ein Challange-League Stadion auch aussehen kann, sie kämen nicht aus dem Staunen heraus.
Noch gänzlich ungeklärt ist die Vorliebe der QFF-Fanclubs für währschafte Bierkeller. Das Abendessen im «Gröninger» war reichlich und lecker. Das Bier zahlbar und die Bedienung bemüht. Und die musikalische Darbietung mit «Seemann» und Gitarre war sehr, sagen wir mal, «nativ». Satt wurden wir aber alle.
Doch das war eigentlich nur der Zwischenstopp zur Sause im Daniel’s. Dass die Bar denselben Vornamen trägt wie das Stammbeizli der Letzi Junxx (Daniel H.), liess hoffen. Unter ortskundiger Anleitung von Jens (Dortmund) und Google-Maps steuerte ich zusammen mit Christian (Bremen) treffsicher das Lokal an. Andere planten deutlich schlechter und stiessen erst nach erfolglosen Besuchen anderer, hoffnungslos überfüllter, Kneipen zu uns dazu. Es war eine ganz wunderbare Nacht mit guten Gesprächen, gutem Bier und einem recht engagierten DJ in unserem (musikalischen) Alter.
Wie immer war der Brunch am Sonntag für die meisten von uns der Schlusspunkt unter ein weiteres QFF-Treffen. Auch wenn wir die eine oder andere Schwäche bei QFF diagnostiziert hatten, habe ich den Ausflug einmal mehr sehr genossen. Liebe Volkspark Junxx und Mädels – ihr wart ganz grossartige Gastgeber*innen und habt ein tolles Wochenende auf die Beine gestellt. Merci! Ich freue mich schon sehr auf das nächste QFF-Treffen vom 6. bis 8. September in München.